Jobcampus Studie: Wie MINT-Studierende ihre Karriere planen

Interview mit Prof. Dr. Peter M. Wald

Zahlreiche Unternehmen spüren schon heute den Mangel an Fachkräften: Um qualifizierte Arbeitskräfte zu finden müssen sie sich daher einiges einfallen lassen, um zu verhindern, dass die Stellen zu lange unbesetzt bleiben. Denn unbesetzte Stellen bremsen die Produktivität und erschweren die Anpassung an neue technologische Entwicklungen. Eine Lösung für den Fachkräftemangel könnte für Unternehmen die Rekrutierung von Talenten direkt an der Hochschule sein. Daher haben wir gemeinsam mit der KÖNIGSTEINER die Jobcampus Studie durchgeführt. Dabei wurden im Wintersemester 2018/19 insgesamt 500 Studierende der MINT-Fächer an 10 Hochschulen in ganz Deutschland zu ihrer Karriereplanung befragt.

Im Rahmen der Studie arbeiteten wir mit Prof. Dr. Peter M. Wald von der HTWK Leipzig zusammen. Der renommierte Personalexperte gab uns auch in einem kurzen Interview einen Einblick in die Herausforderungen der Zukunft, denen sich Unternehmen und Recruiter stellen müssen.

Herr Prof. Wald, Sie befassen sich im Rahmen Ihrer Forschungen intensiv mit den Arbeitswelten der Zukunft. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der fortschreitenden Digitalisierung. Wie wird sich der Arbeitsalltag der Tätigkeiten mit ingenieurswissenschaftlichem Hintergrund in den nächsten zehn Jahren verändern?

Aufgrund der zunehmenden Komplexität im Bereich ingenieurwissenschaftlicher Tätigkeiten werden sich Anforderungen an die Mitarbeiter erhöhen. In diesem Zusammenhang gehe ich von einer zunehmenden Differenzierung zwischen eher einfachen Tätigkeiten auf der einen und deutlich anspruchsvolleren Tätigkeiten auf der anderen Seite aus. Hier kommt es auch zu zwei wichtigen Entwicklungen: Einerseits wird eine stärkere „Unterstützung“ der Mitarbeiter durch technische Systeme sowohl bei inhaltlichen als auch bei Fragen der Zusammenarbeit möglich sein. Die betreffenden Mitarbeiter müssen es verstehen und vor allem lernen, aus dieser Augmentierung ihrer Tätigkeiten den notwendigen Nutzen zu ziehen. Andererseits dürfte die Bedeutung der soft skills deutlich zunehmen. Damit sind wie oben bereits angemerkt Fragen der erfolgreichen Arbeit in verschiedenen auch interdisziplinären Teams, aber auch bei der virtuellen Zusammenarbeit gemeint.

Unternehmen sollten sich besser früher als später auf die kommenden Herausforderungen vorbereiten. Das gelingt aber nur mit qualifizierten Fachkräften. Was sind Ihrer Meinung nach die richtigen Maßnahmen, um die Qualifikation und Motivation von Mitarbeitern zu erhöhen?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil es dabei aus meiner Sicht, einen ganzen Strauß an Maßnahmen gibt. Zunächst gilt es den richtigen Mitarbeiter auszuwählen, was die Bedeutung einer professionellen Personalbeschaffung verdeutlicht. Dabei dürfte es zunehmend nicht nur um die fachliche Eignung der Mitarbeiter, sondern ebenfalls um die Übereinstimmung zwischen den Werten des Unternehmens und denjenigen des Mitarbeiters gehen (Stichwort Cultural Fit). Daran schließt sich der richtige Einsatz der Mitarbeiter an, der beim zielgerichteten Onboarding beginnt und in der Konsequenz auf die Übertragung sinnvoller und herausfordernder Aufgaben abzielen muss. Unternehmen sollten das richtige Maß an Flexibilität beim Umgang mit der Arbeitszeit und ggf. auch mit dem Arbeitsort finden (Stichwort Home Office). Hinzu kommen auch Fragen die Zusammensetzung und Führung von Teams, die Nutzung neuer Organisationsformen und nicht zu vergessen, das Angebot an individualisierten Möglichkeiten zur Weiterentwicklung betreffend. Oft wird in diesem Zusammenhang auf den Begriff der Employee Experience zurückgegriffen. Dieser hat zum Inhalt, dass es für die Unternehmen letztlich immer darauf ankommt, wie all die genannten Maßnahmen und Angebote von den Mitarbeitern erlebt bzw. empfunden werden.

Die Jobcampus Studie hat untersucht, wie MINT-Studierende schon zu Beginn des Studiums mit dem Thema Karriereplanung umgehen. Sie haben in anderen Studien bereits auf die Entscheidungskriterien bei der Arbeitgeberwahl hingewiesen. Welche Erkenntnisse für ihr Recruiting können Unternehmen aus diesen Studien ziehen?

Vornweg: Recruiting ist keine leichte Aufgabe, die nebenbei zu erledigen ist. Die Unternehmen müssen sich intensiv auf die Erwartungen ihrer künftigen Mitarbeiter einstellen und diese bei all ihren Aktivitäten berücksichtigen. Dabei geht es weniger um kurzfristige Maßnahmen, sondern um langfristiges und geplantes Agieren. Hiermit sind vor allem Aktivitäten angesprochen, die auf die Bildung und Prägung der Arbeitgebermarke abzielen. Dies ist sehr wichtig, weil die potenziellen Fachkräfte mit ihren Überlegungen zum künftigen Arbeitgeber viel früher als bisher angenommen starten. Es ist nachvollziehbar, dass in diesen frühen Phasen auch allgemeine Aspekte im Vordergrund stehen, wie das Image oder die Marke als Arbeitgeber. Wichtig sind hier auch inhaltliche Fragen, wie Informationen zur künftigen Arbeitsaufgabe, die Unterstützung beim beruflichen Einstieg und die angebotenen Sozial- und Zusatzleistungen. Insgesamt werden die Aspekte, die die Entscheidung für einen Arbeitgeber beeinflussen mit dem Begriff Arbeitgeberattraktivitätsfaktoren zusammengefasst. Hier zeigt sich fast durchweg, dass es den jungen Fachkräften eher um die fachliche Entwicklung und weit weniger um die Übernahme einer Führungsfunktion geht. Es mag erstaunen, aber auch der unbefristete Arbeitsvertrag wird häufig betont. Auch sind Faktoren wie Arbeitsatmosphäre und nette Kollegen sehr wichtig. Des Weiteren geht es hier um den Umgang mit Arbeitszeit und -ort, womit wir wieder bei den schon erwähnten Fragen der Motivation von Mitarbeitern wären. Damit schließt sich meines Erachtens der Kreis. Für die Kommunikation der Arbeitgeber bedeutet dies, konkret und nachvollziehbar über ihre spezifischen Angebote zu informieren und dafür gleichermaßen analoge wie digitale Kanäle zu nutzen.

 

Über Prof. Dr. Peter M. Wald
Peter M. Wald studierte von 1981 bis 1985 Arbeitswissenschaften und promovierte im Anschluss daran. Ab 1991 war er als Referent für Unternehmenskommunikation, Personalleiter und Leiter Human Resources in mehreren nationalen und internationalen Unternehmen tätig, bevor er 2003 als Professor an die HTW Dresden für das Lehrgebiet Management und Organisation berufen wurde. Seit 2009 ist er als Professor an der HTWK Leipzig tätig und verantwortet an der Fakultät Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsingenieurwesen das Lehrgebiet Personalmanagement.
Er ist Autor und Co-Autor verschiedener Beiträge und Studien zu den Themenbereichen Candidate/Employee Experience sowie Arbeit 4.0 und Recruiting. Neben der Lehre interessieren ihn in der Forschung verschiedene Bereiche, insbesondere der Einsatz von digitalen Medien bei der Mitarbeiterführung und die derzeit laufenden organisatorischen Veränderungen in den Unternehmen. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Parität Sachsen.
Professor Wald bloggt im eigenen Leipziger HRM-Blog und organisiert den jährlichen HR Innovation Day an seiner Hochschule in Leipzig. Der letzte HR Innovation Day fand am 25. Mai 2019 statt. Mit über 180 Teilnehmern und Teilnehmerinnen sowie Speakern u.a. aus Kanada und Irland wurde ein neuer Rekord erreicht.

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